Wenn Laufen zum Ultra-Highlight wird - eine Runde Sylt
Wenn die Marathondistanz nicht mehr reicht, muss Frau sich neuen Ideen widmen. Daniela Stemmer-Hamerlinski hat nach vier Marathons nicht lange suchen müssen und sich einer neuen Herausforderung an einem besonderen Ort gestellt. 111 km in traumhafter Kulisse, das ist der North Sea Ultra auf Sylt. “So eine verrückte Idee!” oder “Das traust du dich?” , hörte Dani wohl sehr oft, wenn sie von ihrem Ziel am 10. Mai 2025 sprach. Aber Dani wäre nicht “unsere” Dani, wenn sie zweifeln und es nicht wenigstens versuchen würde. Das Ziel vor Augen, fokussiert und voller Enthusiasmus fieberte sie dem Laufevent entgegen. Und natürlich blieben wir, die Laufgruppe des SV Anker 06, davon nicht verschont. Keiner konnte sich vorstellen, eine derart lange Distanz am Stück zu laufen. Natürlich mit Pause und Erholungsphasen, aber dennoch im Ganzen durchhalten. Vor der Abreise gaben wir, wie so viele Bekannte, Freunde und ihre Familie, ihr die besten Wünsche mit auf den Weg. Nach kurzer Akklimatisierung auf der Insel ging es früh ins Bett, denn schon um 4.30 Uhr klingelte am Morgen der Wecker.
Für Dani und alle anderen Teilnehmer am North Sea Ultra fiel um 6.00 Uhr der Startschuss. Kai, Danis wichtigste Stütze, ihr Anker, hatte im heimatlichen Gadenstedt nicht nur sorgsam das Auto gepackt, sondern auch die von ihr gewünschte Kuhglocke, als melodische Zielvisualisierung dabei. Als wir hier in Gadenstedt und Umgebung die Augen öffneten und den ersten Kaffee tranken, war Dani bereits einige Kilometer gelaufen. Aber die eigens hierfür ins Leben gerufene WhatsApp-Gruppe “North Sea Ultra” wurde wach und man verfolgte jeden Meilenstein. Auch wenn wir hunderte Kilometer entfernt waren, so waren wir doch immer mittendrin, statt nur dabei. Der erste Abschnitt zum Ellenbogen lief gut. Weiter ging es nach List, bis nach Keitum und in Rantum zum ersten großen “Boxenstopp” mit guter Verpflegung. Zwischendurch ließen die zahlreichen Schmuse-Schafe die Gedanken in andere Richtungen schweifen. Hier mit ihnen zu verweilen und den Tag genießen, das wäre doch auch eine Option. Aber die Überlegung wurde schnell verworfen und vom inneren Schweinehund auf dem längsten Abschnitt, dem nach Hörnum, abgelöst. Die Strecke verlangte Dani viel ab, hatte sie sich bei der Trinkmenge verschätzt und musste, angelockt von der läutenden Kuhglocke, einige Kraftreserven mobilisieren, um den Verpflegungspunkt zu erreichen. Später erzählte uns Dani, dass ihr in Hörnum tatsächlich die Frage durch den Kopf ging, ob sie das weiter durchziehen wolle. Man sah es ihr an. Denn, wie schon bei den vorangegangenen Marathons, wurde ihre Fangruppe mit Live-Aktualisierungen und Bildern bestens versorgt. Jedes Gruppenmitglied konnte ihr Ringen spüren und gab Dani mit jedem geschriebenen Wort neue Kraft und den Ansporn, das Begonnene zu Ende zu bringen.
Um 20.00 Uhr war Cut off in Rantum, die Deadline musste und wollte Dani einhalten. Egal wie sehr die Waden zwickten, die Kniekehlen brannten und die Muskeln rebellierten, aufstehen, loslaufen und ankommen, war ihr Credo. Getragen von ihrem starken Willen erreichte Dani pünktlich den Verpflegungspunkt in Rantum und konnte sich nicht nur stärken, sondern zog sich auch noch einmal um, um sich für die Dämmerung zu wappnen. Ausgestattet mit Stirnlampe und Warnweste ging es ab Westerland mit neuem Elan entlang der Promenade und schließlich bis zum Roten Kliff. Danach wartete die wohl schwierigste Etappe. Durch die Dünen und den feinen Sand, über Hügel um Hügel konnte man Dani wohl weit schimpfen hören. Raus musste der Unmut, hier noch einmal mehr geben zu müssen, als eigentlich (noch) möglich. Vor dem Ziel warteten nun noch die Treppen. Kai erwartete sie bereits im Zielbereich und die digitalen Zuschauer hielten kurz vor Ende die Luft an, denn plötzlich war das GPS-Signal verschwunden. “Sie hat noch 2km, wie lange wird sie brauchen?", “12 Minuten?” oder “Sie muss bald da sein.” und “Kai, was ist da los?” waren nur einige Gedanken und Nachrichten, die sich in den letzten Minuten abwechselten. Plötzlich stand die Zeit still, die Websites wurden sekündlich aktualisiert, bis Supporter Kai schließlich die erlösende Nachricht teilte. Sie hat es wirklich geschafft! Nach 16 Stunden, 19 Minuten und 28 Sekunden hatte Dani die Insel umrundet. Getragen von der Kuhglocke und Kai, der im Ziel auf sie wartete, den Jubelschreien, von jedem, der mitfieberte, hat sie Unglaubliches geleistet und ihr Lächeln dabei nicht verloren. Das Video der tanzenden Dani zauberte uns allen ein Lächeln ins Gesicht und irgendwie hatten wir das Gefühl, mitgelaufen zu sein. Immer bei ihr, stets zu ihrer Linken und nur einen Laufschritt weit entfernt. Mit ihrer bewundernswerten Entschlossenheit, alles zu erreichen, was sie sich vornimmt, hat Dani längst unsere Läuferherzen erobert.
Da wundert es nicht, dass der Wechsel von der Teilnehmerin zur Trainerin schnell vollzogen war. Dani schmiedet bereits Pläne für 2026, sie möchte weitere Mitglieder unserer Laufgruppe mobilisieren, gemeinsam ein unvergessliches Laufevent auf Sylt zu erleben. Einige von uns dürften also bereits die Sicherheitsweste bereitlegen und die Akkus der Stirnlampe laden. Denn eines ist gewiss: Bewaffnet mit einer erstaunlichen Willenskraft und beneidenswerten Leidenschaft fürs Laufen, treibt sie einige von uns zu Leistungen an, die wir selbst nicht erwarten. Wir freuen uns auf kommende Abenteuer mit dir, in persönlicher oder digitaler Begleitung. Das nächste steht schon kurz bevor, neben Laufen wird sich Dani in neue Fahrwasser vorwagen. Gespannt erwarten wir die Bilder sowie ihren Bericht und schwimmen, radeln sowie laufen (mindestens) in Gedanken mit.
Anne Seibt
Bild zur Meldung: Wenn Laufen zum Ultra-Highlight wird - eine Runde Sylt
Fotoserien
Ultramarathon auf Sylt (04. 06. 2025)
...